24.2. Regierung will jetzt auch blauen Wasserstoff fördern

Administrator (Reinhard_de) on 24.02.2023

Beim Thema Wasserstoff tut sich wieder was in den Medien. ND-Aktuell berichtet über die geplante Förderung von blauem Wasserstoff durch die Regierung. Ende Gelände mobilisiert zur europäischen Gaskonferenz Ende März in Wien.

Beim Thema Wasserstoff tut sich wieder was in den Medien. ND-Aktuell berichtet über die geplante Förderung von blauem Wasserstoff durch die Regierung. Ende Gelände mobilisiert zur europäischen Gaskonferenz Ende März in Wien. Es gibt noch weitere Artikel zu lesen: "Ist die Gaslobby zu mächtig?" und "Öko-Energie zu teuer" in der TAZ.


Der Kommentar im ND-Aktuell ist überschrieben mit "Die Gasindustrie ist die neue fossile Gegnerin der Klimabewegung

Mit der CCS-Technologie und blauem Wasserstoff will die Gasindustrie klimaschädliche Geschäfte machen".

Der Autor dieses Artikels ist Lasse Thiele vom Konzeptwerk Neue Ökonomie. Er arbeitet zum Thema Klimagerechtigkeit.

Längst bastelt die Gasindustrie an ihrer Zukunft. »Blauer« Wasserstoff ist das gleich doppelt natürlich klingende Zauberwort. Doch diese Energie fließt eben nicht aus eiskalten Gebirgsquellen, sondern ist fossilen Ursprungs. Wie konventioneller Wasserstoff wird auch »blauer« per Dampfreformierung aus Erdgas hergestellt, nur dass das frei werdende CO2 anschließend über die Technologie des »Carbon Capture and Storage« (CCS) abgeschieden und gespeichert wird.

Hinter dem europaweiten Wasserstoffhype steckt, wie die Organisation Corporate Europe Observatory dokumentiert, maßgeblich das Geflecht an Verbänden der Gasindustrie – die so das Feld für das nächste Geschäft bestellt. Während öffentlich der »grüne« Wasserstoff aus erneuerbaren Energien vorangestellt wird, verfolgt die Gasindustrie neben der nur teilweise plausiblen Weiternutzung ihrer Infrastrukturen noch ein größeres Ziel: Je großflächiger auf Wasserstoff gesetzt wird, für den das »grüne« Angebot knapp ist, desto größere Lücken kann sie mit ihrem »blauen« Produkt füllen.

Dabei spricht einiges gegen »blauen« Wasserstoff: Schon auf dem Transportweg des Erdgases entweicht hochgradig klimaschädliches Methan. Bei der Umwandlung in Wasserstoff gehen 30 bis 40 Prozent der Energie verloren – und dazu kommt noch der Energieaufwand für die CO2-Abscheidung. Auch diese erfordert aufwendige neue Infrastrukturen, die sich nur bei langjähriger Nutzung rentieren. Die ökonomische Gesamtrechnung ist so fragwürdig wie die ökologische, zumal hohe Gaspreise »blauen« Wasserstoff umso teurer werden lassen.


In der TAZ heißt es: "Ist die Gaslobby zu mächtig? - Im Schnitt ein Treffen pro Tag - Die NGO Lobbycontrol wirft der Bundesregierung zu engen Kontakt zur Gasbranche vor. Das Wirtschaftsministerium widerspricht."

Zwar habe Habeck nach Amtseintritt die Führungsebene seines Hauses ausgetauscht: Sein Staatssekretär Patrick Graichen war etwa vorher Chef des progressiven Thinktanks Agora Energiewende, sein Staatssekretär Sven Giegold saß lange für die Grünen im Europaparlament und ist Mitbegründer der globalisierungskritischen Organisation Attac in Deutschland.

Die Abteilung „Wasserstoff und Gas, Energieeffizienz in Industrie und Gewerbe“ jedoch sei auf Ebene der Unterabteilungsleitung und Referatsleitung noch immer mit Personen besetzt, „die über Jahre enge Verbindungen mit der Gasindustrie gepflegt haben“, wie es in der Studie heißt.

„Gaslobby-Netzwerke aus Gaskonzernen und Industrie haben der Gesellschaft großen Schaden zugefügt: Klimaschäden, hohe Gaspreise, fatale Abhängigkeiten und milliardenschwere Fehlinvestitionen“, sagte Christina Deckwirth von Lobbycontrol. „Dennoch gewährt auch die aktuelle Bundesregierung der Gaslobby weiterhin Lobby-Pipelines in die Politik.“


Ulrike Herrmann stellt in der TAZ ihre Sicht zur Wasserstoffstrategie der Bundesregierung dar: "Grünes Schrumpfen ist angesagt. Eine neue Studie weist nach, dass „grünes Wachstum“ eine Illusion ist. Denn Öko-Energie, die unsere Technik antreibt, hat schlicht zu hohe Kosten."
In ihrem Artikel findet man auch zahlreiche Zahlen zum Bedarf und zu den Kosten.

Klimaschutz scheint einfach: Man muss nur auf Ökoenergie setzen. Doch leider ist es nicht trivial, genug Ökoenergie zu mobilisieren. Energieexperten schätzen, dass Deutschland etwa 2.000 Terawattstunden (TWh) an Ökostrom benötigen würde, wenn „grünes Wachstum“ möglich sein soll. Das wäre rund 4-mal so viel Strom, wie Deutschland heute verwendet.

...

Immerhin: Theoretisch ließe sich genug Strom erzeugen, um ganz Europa zu versorgen. Doch der Rest ist schwierig. Denn der Wüstenstrom lässt sich nicht einfach nach Norden transportieren, weil Stromleitungen zu teuer wären. Um aber per Schiff oder Pipeline nach Europa zu ­gelangen, muss der Strom umgewandelt werden – erst in grünen Wasserstoff und dann in synthetische Kraftstoffe oder andere Basisprodukte. Schon dabei geht eine Menge Energie verloren. Zudem lässt sich Wasserstoff nur erzeugen, wenn ­Süßwasser vorhanden ist, das aber in Wüsten bekanntlich fehlt.

Hohe Energiekosten

Also muss Meerwasser entsalzt werden, was erneut Energie kostet. Ein weiteres Problem: Um grünes Kerosin oder andere Energieträger zu erzeugen, wird Kohlenstoff benötigt. Klima­neutral ist dies jedoch nur, wenn dafür CO2 aus der Luft gefiltert wird, weil auch wieder CO2 entsteht, wenn grünes Kerosin verfeuert wird. Leider kostet es erneut viel Energie, CO2 aus der Luft zu holen.

Die neue Studie hat daher errechnet, dass ein Liter grünes Kerosin 2030 zwischen 1,92 und 2,65 Euro kosten dürfte. Bis 2050 sollen die Herstellungskosten auf 1,22 bis 1,65 Euro fallen. Diese Preise wirken zunächst nicht besonders teuer – schließlich müssen Fluggesellschaften momentan etwa 2,81 Dollar pro Gallone Kerosin zahlen, wobei eine Gallone 4,4 Litern entspricht. Das grüne Kerosin scheint also „nur“ 4-mal so teuer zu sein wie die fossile Variante.


Die aufgeführten Argumente sind nur ein Teil der Gründe, warum jetzt Ende Gelände zur geplanten "Europäischen Gaskonferenz" in Wien Ende März mobilisiert:

In der Vergangenheit hat die Europäische Gaskonferenz ihre Diskussionen nicht öffentlich gemacht. Wir wissen jedoch, dass die Zukunft unserer Energieversorgung in mehr als 100 privaten Sitzungen entschieden wurde. Sie trugen dazu bei, dass die Nachfrage nach LNG in die Höhe schnellte, der Ausstiegtermin aus russischem Gas in Europa festgelegt wurde und finanzielle Vereinbarungen für riesige fossile Infrastrukturprojekte getroffen wurden. Alles hinter verschlossenen Türen. Alles ohne öffentliche Diskussionen.

Alle großen fossilen Konzerne werden in Wien vertreten sein: BP, Total, RWE, Equinor, OMV und viele mehr. Sie alle haben im letzten Jahr Rekordgewinne mit explodierenden Preisen gemacht, die die Menschen in die Energiearmut getrieben haben. Auf dieser Konferenz wird über neue fossile Gasprojekte verhandelt, die uns für Jahrzehnte an fossile Energie binden werden. Darunter sind RePowerEU-Projekte wie die Trans-Adria-Pipeline und LNG-Terminals wie die in Brunsbüttel und Wilhelmshaven. Das sind alles Projekte, gegen die soziale Bewegungen vor Ort gekämpft haben und weiter kämpfen! Jetzt kommen dieselben Unternehmen nach Wien, um Kritik vor Ort zu vermeiden. Das werden wir nicht zulassen!

Back